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BRIEGEL (OX-Fanzine #40)

Im Sommer 1996 habe ich zwei Monate in Heidelberg zugebracht. Nicht weil ich die Stadt so schön fand, sondern weil ich dort einen Lateincrashkurs belegt hatte, ohne den meine Studentenkarriere ein todsicheres Ende genommen hätte. Jedenfalls stand ich mit den anderen anwesenden Wahnsinnigen während einer Pause vor der Tür der Pädagogischen Hochschule, in der die Kurse stattfanden, als mich ein anderer Kursteilnehmer ansprach, ob ich auch Punk und so hören würde.

Erkannt hatte er meine musikalischen Vorlieben an meinem Uralt-HARD-ONS-T-Shirt, in welches ich zu dieser Zeit noch problemlos reinpasste. Wie es sich herausstellte, hiess er Linde und spielte Bass bei LUZIFERS MOB. Kannte ich in Heidelberg bis dato keine Sau, so hatte ich nun Anschluss gefunden und musste mich nicht an die übrigen Patienten im Kurs halten. Über Linde lernte ich noch Christ kennen, der im Parallelkurs büffelte, da er nur das Kleine Latinum machen musste. Tagsüber gab es dann das komplette Horrorprogramm von Seneca über Caesar bis Cicero, abends war feiern und Konzerte besuchen angesagt (u.a. STEAKKNIFE und HORACE PINKER im Schwimmbad). Nach Abschluss des Kurses hielten wir losen Kontakt. Irgendwann flatterte mir dann ein Päckchen mit der Single und dem neuen Demo von BRIEGEL ins Haus. Dass die beiden eine Band am Start hatten, wusste ich noch gar nicht, aber die Songs fand ich dermassen geil, dass ich die Bande bei nächster Gelegenheit vor´s Mikrofon zerrte.

Seit wann gibt´s Briegel?

Christ: "Angefangen haben wir im Frühjahr 1996. Ich hab mir ´ne Gitarre besorgt, konnte aber eigentlich noch gar nicht spielen. Ich hab´ dann trotzdem Ben gefragt, ob er Lust hat ein bißchen zu zocken. Da Ben ohnehin der völlige Musikjunkie ist, haben wir dann einfach mal zu zweit geprobt, ohne festes Ziel oder so. Das war dann irgendwie ganz cool. Vor allem waren die musikalischen Vorstellungen recht ähnlich und wir hatten beide keinen Bock mehr, HC oder ähnliches zu machen. Jedenfalls haben wir cool gerockt und haben uns dann überlegt, ob wir eine richtige Band daraus machen sollen. Wir haben dann Henrik Zenker gefragt, ob er Lust hat Bass zu spielen. Später kam dann Eddie Stiletto dazu, als wir uns überlegt hatten, wer denn singen könnte. Das coolste an der ganzen Sache war halt, daß es von Anfang an nicht so ein "Lasst uns eine Band machen"-Ding war, sondern dass wir einfach mit Freunden Musik gemacht haben, ohne Plan oder feste Absichten. Das Ganze hat aber dann ziemlich gut geklappt. Und irgendwann haben wir uns dann einen Namen überlegt."

Ben: "Das war auf einem Konzert von HOOKA HEY - mit TANKARD übrigens - der Band in der ich damals noch gespielt habe. Wir saßen draussen, haben Bier gepichelt, kriegt man ja immer umsonst, wenn man irgendwo spielt. Wir haben uns ziemlich schnell drauf geeinigt, irgendeine Sportgröße zu nehmen. Im Rennen waren Ayrton Senna, Nikki Lauda, aber der war zu assopunkmäßig, schnellerhärterlauda, und Jo Deckarm, der Handballtyp, den es tierisch auf die Fresse gelegt hat. Christ kam dann auf BRIEGEL, und das war dann sofort mit Abstand der beste Bandname, den wir jemals gehört hatten."

Christ: "Wir hatten aber auch noch den einen oder anderen Wechsel in der Besetzung. Henrik mußte leider irgendwann aufhören, weil er aus beruflichen Gründen keine Zeit mehr hatte. Wir dachten sofort, dass Linde Bass spielen soll. Linde hatte ja schon bei LUZIFERS MOB Bass gespielt, zusammen mit Henrik. Dann hatten wir zeitweilig noch jemand an der zweiten Gitarre. Das hat dann aber irgendwie nicht so ganz geklappt. Im Moment jedenfalls spielt Ben Schlagzeug, Eddie singt und spielt Gitarre, Linde macht den Bass und ich spiele Gitarre und singe auch, wenn Eddie Gitarre spielt."

Ist mit BRIEGEL der alte Fußballrecke gemeint, oder hat das eine andere Bedeutung?

Ben: "Klar, die "Walz aus der Pfalz". Wir sind alle Fußballfans, bis auf Eddie, der steht mehr auf Klettern, Natur und Pfadfinder."

Ed: "Ja, und nicht zu vergessen: kleinen, süßen Trommlern in den Arsch ficken. Ich bin zwar der einzige in der Band, der einen Berg-Film schiebt und es stimmt ja, ich kraxle wirklich gerne, aber ich bin auch der einzige, der wenigstens ab und zu in einem Fußball-Stadion anzutreffen ist. Der SC Freiburg ist meine Mannschaft und mein Herz schlägt auch noch in diesen wenig erfolgreichen Zeiten für den SC. Zur Pfalz habe ich eigentlich wenig Beziehungen, aber BRIEGEL ist schon ein verdammt knackiger Name. Außerdem war Hans-Peter einer der coolsten Assis der 80er. Ein dauergewellter Holzklotz mit Nationaltrikot - supercool."

Was habt ihr wann und wo veröffentlicht?

Ben: "Wir haben erst eine 7" draussen, die ist von Ende 1998, auf Stigma. Wir waren aber erst vor kurzem im Studio und haben neue Songs aufgenommen, die wir wieder bei Jochen auf Stigma rausbringen wollten. Aber das klappt im Moment nicht so ganz aus finanzierungstechnischen Gründen. Wir haben Material für eine 10" und noch für ´ne 7". Wer Lust hat was rauszubringen, kann ja mal eine "Bewerbung" an uns schicken."

Linde hat ja wie gesagt früher bei LUZIFERS MOB gelärmt, die musikalisch ja was völlig anderes gemacht haben, als ihr jetzt macht. Habt ihr anderen auch eine musikalische Vergangenheit?

Linde: "Ich habe noch mit Christ bei ZELOT gespielt. ZELOT hatten eine Splitsingle mit ZORN. Ben war wie bereits gesagt bei HOOKA HEY und bei anderen diversen Jugendsünden. Pertsch ist Neuling im Musikbusiness. Mit ZELOT haben wir es übrigens auf einen einzigen Auftritt gebracht, der war aber legendär. Alle total besoffen, Flo Opitz ist auf der Büne rumgestolpert, Andreas Glaser, der Schlagzeuger, der auch beim LUZIFERS MOB gespielt hat, war total sauer, weil der musikalische Aspekt etwas zu kurz gekommen sei. Na ja, jedenfalls hatten wir einen Auftritt, aber eine Splitsingle und einen Beitrag auf dem Plot-Sampler."

Christ: "Es stimmt schon, dass die ganzen alten Bands etwas anderes gemacht haben. Aber es ist ja total langweilig, ewig das gleiche zu machen. Und dann ist es auch so, dass man als Sänger, und ich war bei ZELOT nur der Sänger, ohnehin nicht ganz das machen kann, worauf man Lust hat. Denn die Musik machen ja die anderen."

Ben: "Wir machen mit BRIEGEL schon das, worauf wir schon lange Lust hatten, nämlich Rock. Und trotzdem muß ich sagen, dass HOOKA HEY die beste Hardcore-Band in Deutschland war. Nur ist diese Zeit jetzt halt einfach vorbei."

Aus Heidelberg kommen ja z.Zt. einige Bands. Gibt´s da auch so was wie ´ne Szene oder macht jeder was für sich?

Linde: "Man kennt sich schon irgendwie. Also die MUCUS 2-Leute trifft man auch immer auf Partys oder in der Stadt. Und Andrew hat auch unsere 7" abgemischt, aber es gibt keine Szene in dem Sinn."

Gibt´s das AZ eigentlich noch?

Ben: "Nee. Die sind aber wohl gerade am Verhandeln wegen einer neuen Location, aber ob das noch was wird ist fraglich."

Wie lebt es sich in einer Stadt, in der es von Amis und Japsen nur so wimmelt? "Good ol´ Heidelböörg" und so.

Christ: "Man gewöhnt sich dran. Aber es nervt schon ab und zu. Ich werde etwa einmal in der Woche gefragt "Wo geht es hier zum Studentenkarzer?" (Anm.: eine der Sehenswürdigkeiten Heidelbergs, die in jedem Fremdenführer angepriesen werden. Ich selber war aber auch nicht da.), und ich weiss immer noch nicht wo der ist. Außerdem kennt man irgendwann mal auch die Schleichwege, wo die Touristeninvasion nicht stattfindet."

Ben: "Heidelberg hat übrigens auch die besten Plattenläden, jedenfalls für eine Stadt in dieser Größenordnung. Das macht Heidelberg dann auch erträglich."

Christ: "Ich finde Heidelberg ist für ´ne Kleinstadt schon ganz cool. Wenn ich mir Freiburg oder so angucke, bin ich doch fast schon froh hier zu wohnen."

Ed: "Jetzt aber mal langsam, an Freiburg gibt es überhaupt nichts auszusetzen. Die Stadt ist vielleicht ein bisschen verschlafen, aber in Heidelberg pocht auch nicht unbedingt der Puls der Zeit. Platten kann man genauso gut in Freiburg kaufen, ausserdem schätze ich die Nähe zu Basel und Strasbourg - ist mir um einiges lieber als Mannheim oder Leimen. Zudem gibt es hier weniger Touristen und man kann sich auch mal auf den Münsterplatz setzen und ein bisschen relaxen ohne von wandernden Horden bedrängt zu werden. Das einzige, was mich Freiburg langsam zu nerven beginnt, ist die etwas arg alternative und korrekte Einstellung. Ich wollte für uns einen Gig im KTS klarmachen, die dann aber ablehnten, weil auf unserem Poster "die Brüste einer Frau abgebildet sind" - ich dachte ich lach´ mich kaputt, einen Kindergeburtstag wollte ich schließlich auch nicht veranstalten - und wer unserem Poster ernsthaft Sexismus vorwirft, muss schon ein sehr verklemmter und perverser Sack sein. Wenn einem die verbohrte Einstellung die ganze Freude am Leben verdirbt, hat man nicht mehr viel zu lachen und am Ende schnappt man sich dann kleine Kinder um Spaß zu haben. Ich persönlich bekenne: ich mag Frauen, auch nackte Frauen, die ich mir gerne anschaue und ich halte das auch für völlig normal -meine Freundin zumindestens bestätigt mir das, solange das Frauen auf Bildern sind."

In eurem Info steht was von Soul und so. Ich finde, dass ihr 60´s Trash bzw. uralten Punk macht.

Christ: "Klar, wir machen Schrottrock. Und natürlich erinnert das, was wir machen, viel mehr an THE SONICS oder THE STOOGES als an James Brown oder Elmore James beispielsweise. Aber da ist an Einflüssen trotzdem viel mehr drin, nur hört man die nicht sofort. Wenn du mal auf die ganzen Rhythmusteile auf der Gitarre hörst, dann merkst du, dass da viel aus dem Blues, Soul oder R´n´B geklaut ist. Aber was heisst geklaut, das ist halt Musik, die ich oder wir hören, und das findet sich halt in irgendeiner Form wieder. Wenn die Gitarren verzerrt sind und alles ein bißchen schneller gespielt wird, dann sind solche Einflüsse nur nicht mehr so offensichtlich."

Ben: "Also ich bastle mir auch alles auf dem Schlagzeug zusammen, zum Teil auch ziemlich dreist eins zu eins übernommen. Aber schau dir mal beispielsweise den Schlagzeuger von JON SEPENCER BLUES EXPLOSION an, der macht das nicht anders. Der ganze Kram kommt halt ursprünglich aus altem 40er Jahre Blues oder 60er Soul und Funk."

Ed: "Es sind halt auch einfach die persönlichen Vorlieben, die bei uns verbraten werden. Ich steh beispielsweise auch noch auf so stumpfe monotone Electro-Sachen. Und CRAMPS höre ich oft. Und die sind ja auch nicht gerade besonders virtuos. Deshalb spiele ich auch gerne monotonen Kram auf der Gitarre."

Guntram Pintgen